Bezirksversammlung Altona
Im September wurde dem Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und regionale Stadtentwicklung WArS das Konzept eines/r City-Managers/Managerin vorgestellt. Antragsteller: Das Bezirksamt in Gestalt der Wirtschaftsförderung, Vortragende der für Altona zuständige Vertreter der Handels- kammer sowie der Center-Manager des Mercados. Im Verlauf der Präsentation wurde eingeräumt, dass es trotz großer Erfolge bei der Neuansiedlung von Ladenketten in dem Gebiet doch immer mehr Leerstand gebe, den aufzufangen bzw. neu zu bestücken man sich ohne Einstellung eines speziellen City-Managements kaum vorstellen könne.
Die Kosten wurden auf 120.000 € pro Jahr veranschlagt. Hiervon solle die Bezirksversammlung aus ihren geringen Politikmitteln 70.000 € übernehmen. Das Bezirksamt und die Handelskammer hätten keine eigenen Mittel, ebensowenig die BWVI (Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation). Die DB und Konzerne wie der Media-Markt oder Conrad hätten auch keine Bereitschaft geäußert. Die verbleibenden 50.000 € würden wohl hälftig das Mercado und IKEA übernehmen.
Nun wäre dieser Sachverhalt eines Artikels nicht wert, wenn der Hintergrund nicht der wäre, dass durch die geplante Schließung des Altonaer Fern- und Regionalbahnhofs bzw. dessen Verlegung nach Diebsteich eine Situation eingetreten ist, dass trotz größter Anstrengungen keine Mieter mehr gefunden werden, die im Bereich des Bahnhofs ihre Geschäfte betreiben wollen. An der Ottenser Seite des „Einkaufsbahnhofs“ stehen nahezu alle Laden- und Gastronomieflächen seit 2 Jahren leer, obwohl die DB händeringend Mieter sucht, wie der Mercado-Center-Manager bestätigte, der nach eigener Aussage bis vor 10 Jahren im Sold der DB für die Vermarktung der Verkaufsflächen im Altonaer Bahnhof zuständig war.
Nun haben im September die 3 Klamottenläden zwischen Bahnhof und Mercado - also genau dort, wo sich bis 2006 das Bismarckbad befand - ihre Läden geschlossen. Einer, die Kette ‚Esprit‘ hat an die Fenster geklebt,dass sie angeblich im Februar 2019 wieder eröffnen würde, was zumindest eigenartig anmutet. In den Räumen der anderen beiden würde nach Aussage des Mercado-Center-Managers, der diese Flächen verwaltet, gleichwohl sie nicht zum Mercado gehören, im Frühjahr 2019 die süddeutsche Drogerie und Krimskramskette Müller eine Filiale eröffnen, von der man sich verspreche, dass sie ein „Publikumsmagnet“ sein würde und sogar Kaufkraft, die womöglich nach Diebsteich zum neuen Bahnhofsstandort abwandern würde, nach Ottensen zurückholen könne.
Selbst wenn diese Müller-Drogeriekette dort tatsächlich einen Laden aufmachen sollte, dürfte dies, eingebettet zwischen Rossmann zum Busbahnhof und Budnikowsky im Mercado, wohl kaum der Knaller sein, sondern eher wie Schlecker enden.
Als wir in der Bezirksversammlung den Antrag stellten, diesen hilflosen, für die geringen Mittel der BV aber doch nicht unerheblichen Antrag abzulehnen und stattdessen zusammen mit der Bezirks- und Europawahl im Mai 2019 eine Befragung der AltonerInnen durchzuführen, ob sie eine Modernisierung des jetzigen Bahnhofs oder eine Verlegung nach Diebsteich präferieren würden, wurde dies wie üblich von allen anderen Parteien abgelehnt.

Die Finanzierung dieser für die Wirtschaftsbehörde, für die Handelskammer, die DB oder anderer Konzerne lächerlichen Summe durch diese Institutionen wurde zurückgewiesen, da es ja schließlich um die Attraktivität und Belebtheit der Altonaer Herzstück-Meilen ginge und deren historische Verbindung zwischen Ottensen und Altona, was es bisher noch nie gegeben habe. Insbesondere die Grünen waren hierbei wieder einmal die Vorreiter, Entschuldigung: Vorreiterinnen.
Robert Jarowoy im November 2018
Sehr geehrte Frau Bezirksamtsleiterin, sehr geehrtes Präsidium, werte KollegInnen, liebe Öffentlichkeit!
Wir haben mit unserem Sonderausschuss Flüchtlinge nun einige Einrichtungen der Erstaufnahme (Schnackenburgallee und Albert-Einstein-Ring) sowie verschiedene der Öffentlich-rechtlichen-Unterbringungen (sog. Folgeunterbringungen) besucht. Einige waren sehr gut, z.B. Holmbrook oder Sieverstücken, andere äußerst deprimierend, insbesondere die Unterkunft in der Waidmannstr.. Das Hauptproblem in diesen Unterkünften ist allerdings nach der Auflösung der Zeltlager und Baumärkte nicht die Unterbringung, sondern die Perspektive der dort lebenden Menschen. Insbesondere derer, die nur eine Duldung haben, denn eine Duldung ist keine „kleine Aufenthaltserlaubnis“, sondern lediglich die
Außervollzugsetzung der Abschiebung aus besonderen Gründen, die jederzeit ohne Einspruchsmöglichkeit vollzogen werden kann. In der Regel morgens um 4 durch die Polizei hin zum Abschiebeknast am Hamburger Flughafen.
Z.B. weil die Betroffenen Flüchtlinge aus Afghanistan sind, das im Begriff ist, durch die Bundesregierung als „sicheres Herkunftsland“ eingestuft zu werden. Wie absurd das ist, weiß jede/r. Uns BezirkspolitikerInnen in Altona macht das zwar traurig, gelegentlich auch wütend, aber dagegen können wir ja nichts tun, weil es eine Bundesangelegenheit ist.
Nun, mal ganz davon abgesehen, dass die geduldeten AfghanInnen und ihre Kinder bei uns in Altona zu Hunderten in Erstaufnahme- und Folgeeinrichtungen untergebracht sind, ist es nicht ganz so einfach mit dem hilflosen Achselzucken und Hinweis auf Bundeszuständigkeit, denn zumindest auf Hamburger Ebene wurde 2008 von dem damaligen CDU-Innensenator und späteren Ersten Bürgermeister Ahlhaus die sog. Hamburger Senatorenregelung eingeführt, der zufolge nach 18 Monaten Duldung alle AfghanInnen wegen des Kriegszustandes in ihrer Heimat nicht nur nicht mehr abgeschoben werden durften, sondern sogar eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis mit allen daran geknüpften Rechten bekamen.
Diese Regelung wurde im Februar diesen Jahres – also 2016 - auf Antrag einer CDU-Abgeordnetengruppe durch den ehemaligen Bezirksamtsleiter Mitte und gerade neu ernannten SPD-Innensenator Andy Grote im Schnellverfahren wieder abgeschafft.
Seitdem sitzen alle AfghanInnen auf gepackten IKEA-Tüten, hören ängstlich Nacht für Nacht auf Geräusche, die – falls nicht von Brandanschlägen durch Nazis oder deren Umfeld verursacht – das Eintreffen der Polizei und die Abschiebung signalisieren. So, wie sie das ständig miterleben bezüglich einer noch rechtsunsicheren Flüchtlings-Community, nämlich den Roma.
Die meisten der zu uns geflüchteten Roma stammen aus Jugoslawien, einem Staat, der in einem völkerrechtswidrigen Krieg unter maßgeblicher Mitwirkung der damaligen Rot-Grünen Regierung unter Schröder, Fischer und Scharping zerschlagen wurde.
Seither haben die Roma als eines der vielen Völker des damaligen Jugoslawien keine Heimat mehr, denn alle Volksgruppen, die über ein überwiegend von ihnen bewohntes Siedlungsgebiet verfügten, haben dieses in blutigen Auseinandersetzungen zu „ihrem“ Staat erklärt. Die Kroaten, die Slowenen, die Serben, die Bosniaken, die Kosovaren, die Montenegriner, die Mazedonier. Nur die Roma, die überall relativ integriert lebten, hatten plötzlich keine Heimat mehr, weil sich alle neu entstandenen Nationalstaaten in einem einig waren: die Roma wollen wir nicht und erkennen sie auch nicht als BürgerInnen unseres Staates an. Die Folge waren Pogrome und eine massenhafte Flucht vor allem nach Deutschland.
Dort waren und sind sie aber genauso wenig willkommen wie in ihrer staatlich nicht mehr existierenden Heimat Jugoslawien. Zwar hat man vor wenigen Monaten in Berlin ein Denkmal für die mehrere hunderttausend im Holocaust vernichteten Zigeuner errichtet, aber die Abschiebepraxis hält an, auf der Basis dubioser Rückführungsabkommen insbesondere mit dem Kosovo.
Nun will ich aber zum Abschluss noch, obwohl Sie das weder im Flüchtlingsausschuss noch hier hören mögen von einem Einzelschicksal bei uns in Altona berichten. Eine 14jährige Kriegswaise, die mit Onkels und Tanten vor 20 Jahren nach Deutschland kam, lebt hier ganz in der Nähe, nämlich in der Waidmannstraße am Diebsteich seit 20 Jahren in einer öffentlichen Unterbringung, die bis vor 10 Jahren in bezirklicher Regie stand, seither von Fördern&Wohnen betrieben wird. Sie hat 3 Kinder, eine 8jährige Tochter, die die Schule besucht, einen 3jährigen Sohn und ein Neugeborenes.
Sie muss, und das ist schon ein Privileg wegen ihrer langen Aufenthaltsdauer „nur“ alle 6 Monate bei der Ausländerbehörde eine Verlängerung ihrer Duldung beantragen. Ihr Mann und Kindsvater, ebenfalls Roma, hat eine Duldung in Niedersachsen und darf sich wegen der Residenzpflicht nur wegen Behördenangelegenheiten in einem anderen Bundesland aufhalten. Er wird auf Antrag von Fördern&Wohnen häufiger nachts von der Polizei aus der Unterkunft entfernt. Der Unterkunftsleiter hat gegenüber dem Flüchtlingsausschuss gesagt, dass dieser Mann durch Duschen und Nutzung von Energieleistungen – also Heizung und Strom – den Steuerzahler betrüge, da er derartige Leistungen nur in Niedersachsen beanspruchen dürfe. Als Alternative bot er an, dass die beiden, die nach Roma-Regeln verheiratet sind, ja auch nach deutschem Recht standesamtlich heiraten könnten. Dann dürften sie auch zusammenleben und der Kindesvater dürfte sich um seine Kinder und seine Frau kümmern. Tatsächlich kann man in Deutschland aber nur mit einem Pass heiraten. Den haben beide nicht. Und wenn sie ihn von Montenegro ausgestellt bekämen, würden sie sofort abgeschoben. Montenegro will sie aber gar nicht als seine Staatsbürger anerkennen, weil sie Roma sind und nach der Zerstörung Jugoslawiens die meisten Unterlagen verloren gegangen seien. Außerdem, was sollten sie in Montenegro nach 20 Jahren Aufenthalt in einer Flüchtlingsunterkunft mit ihren hier in Deutschland geborenen Kindern denn vielleicht anfangen? Stellen Sie sich vor, Sie würden irgendwohin abgeschoben, zum Beispiel nach Panama. Warum denn ausgerechnet nach Panama, würden Sie fragen. Na ja, ist eben so. Gute Reise!
Falls Sie aber vorher noch etwas Gutes tun wollen, appelliere ich an Sie, sich auf allen Ebenen für ein dauerhaftes Bleiberecht der geduldeten Flüchtlinge einzusetzen.
Als ein besonderes Zeichen des Respekts und der Anerkennung der vielen Roma-Flüchtlingen, die hier bei uns in Altona unter erbärmlichen Umständen leben, schlage ich vor, den Internationalen Roma-Tag am 8. April 2017 dafür zu nutzen, einen würdigen Empfang für die Altonaer Roma hier im Kollegiensaal gemeinsam mit der Roma- und Sinti-Union zu organisieren.
Letzte Sitzung der 19. Bezirksversammlung Altona im Mai. Vollständige Sitzung (gab es auch im Livestream bei ALTONA.INFO)