Liebe Käsefreunde!
Der Taleggio ist – mit Früchten und Walnussbrot gereicht – der typische Abschluss eines norditalienischen Menues. Als Dessert-Häppchen mit Tomaten und Radicciosalat ist er in der Lombardei äußerst beliebt. Sein Hauptproblem besteht darin, dass seine rotgeschmierte Rinde extrem schimmelanfällig ist. Dieser sich schnell bildende Grauschimmel-Überzug ist völlig unbedenklich und fördert die spezifische Aroma-Entwicklung des Taleggio. Man kann ihn leicht abwaschen oder abbürsten, allerdings hat die zum Verzehr geeignete Rinde mit oder ohne Schimmel so eine Dominanz, dass der authentische Taleggio-Geschmack darunter leidet, weswegen die Rinde in der Regel weggeschnitten wird, wenn man ihn als Dessert-Käse genießt. Zum Überbacken hingegen eignet sich der geriebene Käse auch mit Rinde. Wegen seiner Schimmelanfälligkeit ist der Taleggio erst seit Beginn der Kühltransportmöglichkeiten auch außerhalb der Lombardei bekannt geworden. Zuvor soll er Giacomo Casanova durch seine Gaumen-Freudigkeit während eines Gefängnis-Aufenthaltes zum Verfassen einer Käse-Enzyklopädie veranlasst haben. Leider ist das Manuscript dieses sicherlich sehr informativen Werkes verlorengegangen, so dass ich nicht auf die dort skizzierten Zusammenhänge zwischen Käse, Lust und Politik zurückgreifen kann, sondern mir immer wieder selber etwas ausdenken muss. Dass ansonsten der Taleggio schon bei Marcus Tullius Cicero, bei Cato dem Älteren und auch bei Gaius Plinius Secundus erwähnt wurde, ist Ihnen sicherlich bekannt, wobei historisch strittig ist, ob er schon damals wie heute gerne zu Polenta gegeben wurde. Pulmentum, eine Vorläuferin der Polenta, gab es zwar schon im alten Rom, wobei allerlei Getreide wie Hirse, Dinkel oder Gerste verwendet wurde, aber noch nicht Mais, der erst als grano turco (türkisches Korn) im 17. Jahrhundert in Italien eingeführt wurde. Etwas später als der Reis für's ebenfalls mit Taleggio gemischte Risotto, das in Norditalien bereits im 15. Jhdt. auf den Speiseplan kam, nachdem im Zuge von Expeditionen ins Reich der Mitte (z.B. durch Marco Polo) dieses Getreide neben der Seide nach Venedig gebracht worden war und fortan in der Po-Ebene angebaut wurde.
Ihr Robert Jarowoy